Was macht der Klimawandel mit dem Niendorfer Gehege? - Fahrradtour im Juli auf der Suche nach Antworten

02.08.23 –

Nach Klimawandel fühlte sich der Freitagnachmittag gar nicht an: Bei typischem Hamburger Sommerwetter - heiter bis wolkig, um 20 Grad - trafen sich am 21. Juli um die 30 Interessierte bei der Revierförsterei Niendorfer Gehege. Unser Eimsbüttler Bundestagsabgeordneter Till Steffen hatte zur Radtour mit dem Revierförster Sven Wurster eingeladen. Dass wir außerdem von einem Filmteam empfangen wurden, hatte allerdings nichts mit uns zu tun: In der Mutzenbechervilla liefen Filmaufnahmen für den Wendlandkrimi mit Ulrich Noethen. Einen ausführlichen Bericht könnt ihr hier lesen.


Unter den Teilnehmenden unserer Radtour befanden sich auch Mitglieder des Vereins Pro Niendorfer Gehege und des NABU. „Der Klimawandel entwickelt sich in einem so nicht erwarteten Wansinnstempo“ , stellt Sven Wurster dar. „Für den Wald, für die Försterei bedeutet dies zweierlei, der Wald ist erkennbar u. a. durch die Dürre betroffen, der Wald kann aber auch dem Klimawandel und dessen Folgen entgegenwirken. Und natürlich sehen wir unsere Verantwortung darin, den Betrieb der Försterei klimaneutral zu gestalten. Noch sind wir nicht ganz so weit, aber auf einem guten Weg: E-Lastenrad, „Emma“, ein kleines E-Auto, 44 Solarzellen auf dem Lagerdach, Begrünung des Satteldaches auf dem Holzlager. Es fehlt noch eine Wärmepumpe und dann dürften wir mehr Energie erzeugen als verbrauchen."

Auf geht’s mit den Rädern zum ersten Halt. Sven Wurster zeigt uns das erste „Waldbild“ und erklärt uns, warum Nadelgewächse, insbesondere die beliebten Fichten eigentlich in das Gebirge gehören, trotzdem vor über hundert Jahren hier angepflanzt wurden und nun mittelfristig keine Zukunft haben werden. Nicht nur die Dürre, sondern dazu die Stürme setzen den Flachwurzlern zu. Demgegenüber wachsen die Buchen beständig und die Dürre scheint ihnen bisher nichts anhaben zu können, obwohl auch dies beobachtet werden muss. Da Buchen schattenertragend sind, werden sie unter den Nadelbäumen angepflanzt um die Nachforstung zügig vorzunehmen. Übrigens: Die Kastanie wird in Hamburg keine Zukunft haben; sie leidet unter einem nicht zu bekämpfenden komplexen Befall.

"Die Deutschen und ihr Wald haben schon eine besondere Beziehung und das ist ein großes Glück", sagt Sven Wurster. Schon Goethe ist der Entsetzensausruf „Was ist mit dem deutschen Wald geschehen? “ entfahren, nachdem die Holzwirtschaft für alle möglichen Zwecke Bäume gerodet hatte. Inzwischen sorgt das Bundeswaldgesetz für einen im internationalen Vergleich hohen Schutz der Wälder. In Hamburg sind fast alle Wälder und Forsten Eigentum des Landes und die Holzwirtschaft ist nachrangig. Vielmehr steht der Gedanke der Erhaltung des Waldes zur Naherholung und eben aus Natur- und Klimaschutzgründen im Vordergrund. „Anders als z. B. in Skandinavien: Dort werden die Wälder hauptsächlich kommerziell genutzt“, sagt Sven Wurster.
„Im Übrigen gibt es in Deutschland viel Wald und er hat einen jungen Boden. Deshalb ist er besonders geeignet, CO2 und Wasser zu speichern und kann gut bepflanzt werden.“ Dennoch ist der Blick auf ihn viele Jahrzehnte vernachlässigt worden.

„Es lebe das Totholz!“ Ein sehr griffiger und zutreffender Satz: Immer wieder sind abgestorbene Bäume, deren Stämme und großen Äste zwischen gesunden Bäumen stehen, zu sehen. Sie werden nicht entfernt, weil sich zahlreiche Insekten, auch Spechte und andere Pflanzen davon ernähren. „In Deutschland gibt es viele Tausend Arten in Fauna und Flora, ein Drittel ernährt sich vom Totholz“ weiß Herr Wurster, „Deshalb kappen wir nur die Baumkronen, damit sie niemanden auf den Kopf fallen, lassen aber den Rest stehen. Der Specht ist übrigens der Häuslebauer für viele Insekten.“

Sven Wurster radelt mit uns gut vier Kilometer durch das Niendorfer Gehege. Nach 16 Jahren als Revierförster kennt er seinen Wald ganz offensichtlich in- und auswendig. Immer wieder macht er uns auf besondere Bäume aufmerksam, schildert uns das Drama der Borkenkäfer und der Nadelhölzer, erklärt uns, was die Buchdruckerkäfer in der Rammelkammer unter der Baumborke treiben (ja, genau, das!) und zeigt uns wie eine Borke anschließend aussieht. Viele Nadelbäume sind dem Käfer schon zum Opfer gefallen und obwohl die Natur am zuverlässigsten, aber eben auch in der ihr eigenen Waldgeschwindigkeit aufforstet, versucht der Förster mit Erfolg verschiedene Aufforstungsmethoden (Setzlinge in Röhren, beschattet von Brombeerbüschen, Schattenbepflanzungen in alten Fichtenarealen).


Herr Wurster zeigt uns weitere Waldbilder, schildert uns, wie an einer Stelle, an der eine alte Schule entfernt wurde, dort nicht , wie es beabsichtigt war, ein Waldkundehaus errichtet wurde, sondern der Natur nach der Entsiegelung freier Lauf gewährt wurde: „Wie im Bilderbuch“  - dort wachsen neben Gräsern und Wildkräutern zunächst die Erlen, die den Boden für weitere Vegetation bereiten.


Wir lernen auch, wie die Frau vom Damhirsch heißt (nein, nicht Reh!) und was der Disney-Film „Bambi“ mit der Irreführung zu tun hat. Am Hirschgehege macht Sven Wurster uns darauf aufmerksam , wie interessant und vielfältig sinnvoll sich eine nicht beschnittene Hainbuchenhecke über Jahrzehnte entwickelt (Dach für den Fußweg, Futter für die Hirsche, Beschattung der anderen Buchenstämme). Rehe gibt es im Niendorfer Gehege übrigens auch, aber sie leben dort wild und verlaufen sich manchmal in einen der umliegenden Gärten.


Bei unserer Fahrt überqueren wir zweimal die das Gehege durchschneidende, vielbefahrene Straße Niendorfer Gehege. Es gibt schon lange Ideen dazu, den Durchgangsverkehr zu vermeiden: Eine Schranke zwischen den beiden Parkplätzen am Waldcafé beispielsweise. Das kann dann von beiden Seiten erreicht werden. Entsprechende Anträge sind in der Bezirksversammlung bisher gescheitert. „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, ein solches Gebiet mit Durchgangsverkehr zu belasten!“ sagt Sven Wurster mit Nachdruck. „Im Frühjahr 2022 hat uns ein Ereignis deutlich gemacht, was möglich ist, wenn die Straße für den Autoverkehr gesperrt ist. Der Bruch einer über sechzig Jahre alten Rohrleitung zwang zu einer mehrwöchigen Sperrung der Durchgangsstraße. Sie wurde für viele Aktivitäten und Kundgebungen verschiedener Organisationen genutzt. „Nachdem der Verkehr wieder freigegeben worden war, habe ich den akustischen und atmosphärischen Unterschied wahrgenommen,“ erinnert sich Sven Wurster. „Das hat mich in meiner Auffassung bestätigt: Der Durchgangsverkehr muss gestoppt werden.“

Unsere Tour endet an dem Flüsschen Kollau, das an dieser Stelle renaturiert wurde und das wichtige Aufgaben im Natur- und Klimaschutz wahrnimmt. „Ja,“ sagt Till Steffen, „hier habe ich mit meinen Jungs schon tolle Abenteuer mit Wasser, Matsch und Staudammbau erlebt.“ - Also auch ein nicht zu verachtender Wert für Naherholung und Naturerlebnisse.

Unter großem Beifall der Anwesenden dankt Till dem engagierte Revierförster Sven Wurster für seine anschaulichen und hochinteressanten Ausführungen. Er erwähnt die trotz großen Widerstands letztlich doch verabschiedete EU-Verordnung Nature Restoration Law, mit der die Ökosysteme der EU unter besonderen Schutz gestellt werden. „Das ist ein wichtiger Schritt! Die Verordnung muss nun natürlich umgesetzt werden, um den Natur- und Klimaschutz auf natürliche Weise zu beschleunigen.“
Das war ein tolles Erlebnis für alle Beteiligten! Dank auch an Till. Eine solche Tour durch „unseren Wald“, darf gerne einmal wiederholt werden.

Text: Claudia Dreyer

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